Auszug aus CHROM & FLAMMEN 02/2006 ©

The Studebaker-Porsche
Aus Zuffenhausen (D) nach South Bend, IN (USA): Projekt "Typ 542
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Einen Studebaker aus dem Hause Porsche? Einfach unglaublich? Keineswegs! Tief verschollen in den Annalen des deutschen Sportwagenherstellers und begraben zwischen den Gebeinen des US-Autoproduzenten Studebaker verbirgt sich eine lang vergessene Gemeinsamkeit: das Projekt mit der Bezeichnung "Typ 542". CHROM & FLAMMEN-Redakteur Björn Marek begibt sich auf staubige Spurensuche.

Eigentlich verlief die berufliche Karriere bei den drei Brüdern Studebaker überwiegend zufriedenstellend . Begonnen hatten Clement, Henry und John Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem Bau und Vertrieb von Pferdefuhrwerken, um schnell zu einem der größten Kutschen-Produzenten der Vereinigten Staaten zu expandieren. Im Jahr 1902 entschlossen sich die Drei dazu, den Sprung zur "pferdelosen Kutsche" zu wagen, nachdem man in den Jahren zuvor bereits einige Kleinst-Hersteller elektrisch angetriebener Wagen mit eigenen Chassis beliefert hatte. Die technische Basis des "Studebaker Electric" verdankte man Thomas Alva Edison, dem weltbekannten amerikanischen Erfinder und kreativen Autodidakten.

Doch bereits ab 1904 entschloß man sich dazu, Benzin-Motoren zu verbauen. Während des Ersten Weltkrieges belieferte man wie viele andere Hersteller einige Länder Europas und natürlich die USA mit der notwendigeren Machinerie. 1915 wurde das erste Nicht-Familienmitglied als Präsident der Corporation auserkoren: Albert R. Erskine. Während seiner Wirkperiode wuchs Studebaker zum zweitgrößten Autohersteller in Amerika, neben der Ford Motor Company, heran. Abgesehen von empfindlichen Umsatzeinbrüchen durch den großen Börsen-Crash des Jahres 1929 verlief das Autogeschäft für Studebaker bis zu diesem Zeitpunkt sorgenfrei. Auch im Bereich der Automobilrennen war man zur damaligen Zeit mit seinen neuen Modellen Champion und Commander aktiv - und das äußerst erfolgreich.

Im Zweiten Weltkrieg produzierte die Company erneut Trucks, Kettenfahrzeuge und Motoren für Flugzeuge, allerdings behielt man aber auch das zivile Geschäft im Hinterkopf und nahm sich parallel der Entwicklung neuer Automobile an. Zum Ende des Krieges sollte man damit genau richtig fahren: Denn während die anderen US-Hersteller der durch den Krieg stark in ihrem gewohnten Leben eingeschränkten Bevölkerung in den ersten Jahren zunächst nur facegeliftete Fahrzeuge anbieten konnten, hatte Studebaker bereits zum Modelljahr 1947 neue Produkte in der Angebotspalette. Die Verkäufe sollten sich überschlagen. Was zu dieser Zeit allerdings in Mitleidenschaft geraten sollte, war die Bereitschaft seitens der Verantwortlichen, in Innovationen in Bezug auf die Produktionsprozesse zu investieren. Zusammen mit dem Umschwung vom Verkäufer- zum Käufermarkt zu Beginn der Fünfziger Jahre sollte dies plötzlich zu empfindlichen Umsatzeinbrüchen für Studebaker - und in die Roten Zahlen - führen. Neue Ideen für den Markt und die eigene Existenz mußten her.

Über einen guten Bekannten, den damaligen Auto-Großimporteur Max Hoffman trifft Studebaker-Vizepräsident und Verkaufsdirektor Richard A. Hutchinson im Jahr 1951 mit Ferry Porsche zusammen, der zu dieser Zeit erstmals eine Reise über den großen Teich unternommen hat. Hoffman hatte Hutchinson schon längere Zeit die Idee nahegelegt, einen "amerikanischen Volkswagen" zu kreieren, um die Geschäfte wieder zu beleben. Den passenden Konstrukteur habe man mit Porsche gleich gefunden. Was Hoffman nicht wußte: Bei Studebaker hatte man sich bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Thema "Autos aus Europa" auseinandergesetzt - sie aber mit dem Käfer für die USA schnell wieder als erfolglos verworfen. Dementsprechend ablehnend ging Hutchinson also aus dem Gespräch mit Porsche und Hoffman heraus.

Hoffman und Porsche lassen sich allerdings nicht ins Boxhorn jagen und werden im Mai 1952 wieder mit ihrer Idee in den USA vorstellig. Diesmal mit "im Gepäck": ein Prototyp des Porsche Typ 530, einer Art "Großraum-Limousine" mit längerem Radstand und vier Türen. Nach einiger Überzeugungsarbeit sammelt Hutchinson erste Fahreindrücke hinter dem Steuer des Typ 530. Das freudige Ergebnis: Am des 16. Mai 1952 freuen sich beide Seiten über den Abschluß eines Vorvertrages, in dem die Entwicklung eines Prototypen seitens Porsche für die Marke Studebaker vorgesehen ist.

Unter der Projektnummer 542 soll in der alten Porsche-Villa um im zeitlichen Rahmen von rund 18 Monaten eine viertürige Studebaker-Limousine entstehen, allerdings nicht mit einem Heckmotor wie bei Käfer- oder Porsche-Modellen versehen, sondern mit einem luftgekühlten V6 unter der vorderen Motorhaube. Weitere Eckdaten: Dreigang-Schaltgetriebe, ca. 140 km/h Top Speed. Auch der Beiname "Porsche" sollte auf der Serienvariante gestattet sein. Das Gesamtdesign soll Hutchinsons Meinung nach europäisch inspiriert sein, danach frage der Markt.

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